6. August 2024
Update: 6. August 2024
Neuer Gesetzesentwurf enthält die Zulässigkeit von gelegentlichen, tagespolitischen Äußerungen für gemeinnützige Körperschaften
Mit der Einführung der neuen Nummer 11 in § 58 AO soll die Zulässigkeit von gelegentlichen, tagespolitischen Äußerungen für gemeinnützige Körperschaften in das Gesetz aufgenommen werden.
Dazu liegt mit Datum zum 23.07.2024 der Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Steuerrechts und zur Anpassung des Einkommensteuertarifs (Steuerfortentwicklungsgesetz – SteFeG) vor.
Im Rahmen der steuerlich unschädlichen Betätigungen nach § 58 AO wird in einer neuen Nr. 11 angefügt, dass steuerbegünstigte Körperschaften außerhalb ihrer Satzungszwecke gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung nehmen dürfen. Diese gesetzliche Klarstellung, wodurch steuerbegünstigte Körperschaft nicht ihre Gemeinnützig gefährden, soll für den Anwender sichtbarer und verlässlicher sein als die bisherige Verwaltungsregelung. Ziel der Regelung ist zudem, wichtiges demokratisches Engagement gemeinnütziger Körperschaften zu unterstützen und zu fördern.
Grundsätzlich verstoßen zwar vereinzelte Äußerungen zu tagespolitischen Themen außerhalb des Satzungszeckes gegen das Ausschließlichkeitsgebot nach § 56 AO, wonach eine steuerbegünstigte Körperschaft lediglich ihre satzungsmäßigen Zwecke verfolgen darf. Aufgrund der Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und dem damit verbundenen Bagatellvorbehalt rechtfertigen solch geringe Verstöße nicht eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit.
Unter dem Begriff „gelegentlich“ sei nach dem Gesetzesentwurf zu verstehen, dass sich nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu politischen Themen geäußert werden solle. Die Äußerungen dürfen bei einer Gesamtbetrachtung lediglich aus besonderem Anlass erfolgen und dem Satzungszweck untergeordnet sein. „Gelegentlich“ bedeute jedoch nicht, sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu politischen Themen geäußert werden solle. Die Äußerungen müssten aufgrund eines besonderen Anlasses erfolgen und der steuerbegünstigten Zweckverfolgung untergeordnet sein. Dabei sei eine Gesamtbetrachtung zugrunde zu legen. Unter diesen Voraussetzungen könne es auch noch unschädlich sein, wenn es aufgrund eines besonderen Anlasses zu wiederholten Äußerungen über einen Zeitraum von mehreren Wochen kommt.
Davon abzugrenzen ist das Betreiben und Unterstützen von Parteipolitik im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 AO, die selbst bei gelegentlicher Ausführung gemeinnützigkeitsschädlich ist. D.h., dass die, insbesondere finanzielle, Unterstützung einer Partei eine unzulässige Begünstigung darstellen würde und den Gemeinnützigkeitsstatus der handelnden Körperschaft stark gefährdet.
Von praktischer Relevanz sei diese Neuregelung im Sportbereich, bspw. wenn Fußballvereine aufgrund aktueller Vorkommnisse gegen Rassismus aufrufen. Darüber hinaus dürfen sich bspw. Sportvereine auch vereinzelt gegen Rassismus engagieren oder zu Anti-Rassismus-Demonstrationen aufrufen.
Unser Eindruck:
Die gesetzliche Ergänzung darf als durchaus positiv betrachtet werden, auch wenn weiterhin Unklarheiten bestehen, z.B. was unter einem “besonderem Anlass” im Einzelfall und im Sinne des Gesetzgebers zu verstehen ist. Sinnvoll ist, dass die Zulässigkeit zu gelegentlichen tagespolitischen Äußerungen in Zukunft – wenn der Gesetzesentwurf so beschlossen wird – nicht mehr nur in den Verwaltungsanweisungen Erwähnung findet, sondern dieser Gesetzesrang eingeräumt wird. Die Ergänzung bietet steuerbegünstigten Körperschaften die nunmehr künftig normierte Möglichkeit, sich in begrenztem Umfang zu aktuellen Geschehnissen zu äußern, ohne gemeinnützigkeitsrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Die ansonsten mögliche Konsequenz einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit für das Jahr des jeweiligen Verstoßes aufgrund einer Äußerung wäre ansonsten jeweils eine sehr harte Folge.
Was noch fehlt ist die politische Klarstellung, wie die Zurechnung von Aussagen zu sehen ist. D.h. ob man hier von Aussagen von Vorstandsmitgliedern, allen Organmitgliedern oder ggf. allen Repräsentanten einer Organisation ausgeht. Je nach Ansatzpunkt ist eine Kontrolle anspruchsvoll bis hin zur Unmöglichkeit der Überwachung aller Einzelaussagen.
Insgesamt besteht noch viel Klärungsbedarf, um tatsächliche Rechtssicherheit zu schaffen.
Der Hinweis zur “praktischen Relevanz” des Gesetzgebers zu dem geplanten § 58 Nr. 11 AO ist leider eher verfehlt und geht an dem Kern des Problems vorbei. Auch bisher dürfen sich gemeinnützige Organisationen, wie Sportvereine, für die Demokratie und gegen Rassismus sowie Diskriminierung einsetzen. Dabei müssen diese, soweit die Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist, nicht grundsätzlich um ihre Gemeinnützigkeit fürchten. Hier geht es um die Ermöglichung von aktuellen und tagespolitisch motivierten Aussagen, was keinen Bezug zu grundsätzlichen demokratischen Werten aufweist, sondern die Tätigkeit einer gemeinnützigen Organisation von den Tätigkeiten von Parteien und politisch motivierten Vereinigungen abgrenzen soll. Diese Erläuterung zur “praktischen Relevanz” trägt daher nach unserer Auffassung mehr zur Verwirrung als zur Klarstellung bei.